Tube Magazin

Warum Druckprüfungen so wichtig sind! Experte Dr. Gottschalk erklärt

· 5 Min Lesezeit

In unserer neuen TUBE-Rubrik „Wussten Sie schon?“ werden wir fortan durch unsere Haberkorn Expertise ein konkretes Wissensgebiet aus der Welt der Fluidtechnik in den Fokus rücken und näher beleuchten. Den Anfang macht die Druckprüfung.

Warum unterliegen Schlauchleitungen der Druckgeräterichtlinie?

Dr. Gottschalk: Alle Produkte, die einem inneren Druck von mehr als 0,5 bar ausgesetzt sind, gelten als Druckgeräte. Damit zählen Schlauchleitungen als Druckanlage und unterliegen der Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU. In dieser Richtlinie des Europäischen Parlaments, die auch als PED (Pressure Equipment Directive) betitelt wird, sind alle rechtlichen Anforderungen an das Druckgerät definiert.

Welche Anforderungen muss eine Schlauchleitung nach PED erfüllen?

Dr. Gottschalk: Die PED verpflichtet Hersteller von Schlauchleitungen dazu, die Sicherheit des Druckgerätes mit einem Konformitätsbewertungsverfahren zu belegen. Konkret bedeutet das, dass die Schlauchleitung vor der Auslieferung auf ihre Sicherheit überprüft wird. Dazu wird sie je nach Kategorie (bestimmt aus Medium, Druck und Dimension) mitunter auch einer Druckprüfung unterzogen. Zusätzlich werden in diesen Fällen die begleitenden Dokumente sowie die Schlauchleitung auf Konsistenz miteinander überprüft und mit einem 3.1-Zeugnis (spezifische Prüfung nach EN 10204) bescheinigt. Die Druckprüfung ist ein wesentlicher Bestandteil, quasi ein Garant dafür, dass alle internen Abläufe gemäß dem Qualitätssystem eingehalten worden sind und mögliche verdeckte Fehler an Komponenten identifiziert werden können. Dies sorgt für größtmögliche Sicherheit.

Gibt es auch Pflichten für Betreiber von Schlauchleitungen?

Dr. Gottschalk: Ja, natürlich! Gemäß Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV/ Deutschland) bzw. Arbeitnehmer/-innenschutzgesetzt (Österreich) müssen Schlauchleitungen auch einer wiederkehrenden Prüfung unterzogen werden. Vergleichbar mit der regelmäßigen TÜV-Abnahme beim Auto. Damit kann der Betreiber ein gewisses Schutzniveau für die Nutzung sicherstellen. Dies gilt speziell für Schlauchleitungen, von denen ein Gefährdungspotenzial ausgeht, zum Beispiel Chemie-, Dampf- und Lebensmittel-Schlauchleitungen. Diese müssen während ihres Lebenszyklus in regelmäßigen Intervallen einer Schlauchwiederholungsprüfung unterzogen werden, ganz im Eigeninteresse des Betreibers bzw. Anwenders. Mit der Wiederholungsprüfung können fehlerhafte oder bereits abgenutzte Schläuche erkannt und ausgesondert werden, so dass sie keine Gefahr für Mensch, Umwelt oder Maschine darstellen.

Wer darf Druckprüfungen durchführen?

Dr. Gottschalk: Diese Prüfung darf nur von einer „zur Prüfung befähigten Person“ durchgeführt werden. Das bedeutet, dass die Person – gemäß Auffassung der PED – entsprechend z. B. nach TRBS 1203 qualifiziert ist und damit die gleichen Anforderungen erfüllt wie ein Mitarbeiter einer notifizierten Stelle. Dies trifft auf alle Mitarbeitenden der Haberkorn Gruppe zu, die Druckprüfungen durchführen. Aktuell sind dazu knapp 20 Monteure mit 8 Prüffahrzeugen unterwegs.

Unterliegen alle Komponenten einer Schlauchleitung einer Norm?

Dr. Gottschalk: Idealerweise sind die einzelnen Komponenten, aus denen eine Schlauchleitung gefertigt wird, bereits belastungsgeprüft. Das bedeutet, die verwendeten Bauteile wie Schlauchmeterware, Armaturen oder Einbindungen sollten entweder selbst der Druckgeräterichtlinie oder einer anderen Norm wie z. B. der DIN EN 12115 / DIN EN 16643 für Chemieschläuche, der DIN EN ISO 6134 für Dampfschläuche oder Armaturennorm DIN EN 14420 entsprechen. Es kommen aber für viele Anwendungen auch Komponenten zum Einsatz, die keiner Norm unterliegen.

Wie definiert sich der Betriebsdruck einer Schlauchleitung?

Dr. Gottschalk: Der Bau einer Schlauchleitung ist komplex. Es kommen verschiedene Materialien wie Metalle, Kunststoffe, Elastomere sowie diverse Verbindungstechniken zum Einsatz. Diese Materialien verhalten sich unterschiedlich. Ein Gummischlauch dehnt sich beispielsweise unter Druck aus, ein Metallschlauch hingegen kaum. Der Mix an Materialien erschwert die Berechnung der Festigkeiten, daher empfiehlt die PED die experimentelle Auslegungsmethode.

Hierzu steht im Kapitel 2.2.4 des Anhangs I der PED: „Es ist eine Druckfestigkeitsprüfung durchzuführen, durch die überprüft werden soll, dass bei einem Druck mit einer gegenüber dem maximalen Druck festgelegten Sicherheitsmarge das Gerät keine signifikante Undichtigkeit oder Verformung zeigt.“

Der Berstdruck und der Prüfdruck einer Schlauchleitung leiten sich üblicherweise aus ihrer Verwendung ab. Bei Schlauchleitungen für Dampf entspricht der Sicherheitsfaktor z. B. dem Fünffachen des Betriebsdruckes

Entspricht der Prüfdruck dem Betriebsdruck einer Schlauchleitung?

Dr. Gottschalk: Hierzu muss man erst einmal wissen, dass neben dem Betriebsdruck noch weitere Faktoren eine Rolle spielen. Es müssen sowohl der Innen- und Außendruck sowie die Umgebungs- und Betriebstemperatur berücksichtigt werden. Die PED führt im Weiteren aus: „… hierbei sind für die Konstruktion zugelassene Werte und der Unterschied zwischen Prüf- und Auslegungstemperaturen zu berücksichtigen.“

Die PED schreibt das 1,43-Fache des Nenndrucks für die Druckprüfung vor. Dieser Wert wird branchenüblich auf 1,5 gerundet. Hintergrund zu diesem Faktor ist die Festigkeitsobergrenze von Metallen, welche in einer Druckprüfung nicht erreicht werden darf.

Die Prüftemperatur muss folglich nicht mit der Betriebstemperatur übereinstimmen. Beispielsweise wird ein Schlauch, der im Abgasbereich für eine Betriebstemperatur von +300 °C ausgelegt ist, nicht bei +300 °C geprüft. Allerdings muss aber die Verschlechterung der Festigkeit bei Raumtemperatur berücksichtigt werden, um ein valides Prüfergebnis erzielen zu können. Dies ist insbesondere bei Metallschläuchen wichtig, da diese bei sehr hohen Temperaturen von bis zu +500 °C eingesetzt werden. Hier kommt der sogenannte Druck-Abminderungsfaktor ins Spiel.

Was besagt der Druck-Abminderungsfaktor?

Dr. Gottschalk: Einfach gesagt, dass Schlauchleitungen bei einer hohen Einsatztemperatur nicht den gleichen Druck aushalten können wie bei Raumtemperatur. Daher findet bei Druckprüfungen grundsätzlich folgende Regel Anwendung: PT = PN * (PT = Prüfdruck [Pressure Test], PN = Betriebsdruck [Pressure Nominal], Ct = Druck-Abminderungsfaktor [≤1])

Mithilfe dieser Regel kann man den erforderlichen Prüfdruck bei Raumtemperatur berechnen. Der Druck-Abminderungsfaktor (Ct) ist stets in Abhängigkeit zum Werkstoff sowie zur Temperatur zu sehen. Bei Metallschläuchen gibt die DIN ISO 10380 die Ct-Faktoren vor. In Fachkreisen wird aktuell diskutiert, ob auch für weitere Schlauchtypen wie zum Beispiel Elastomer-Schlauchleitungen Druck-Abminderungsfaktoren berücksichtigt werden sollten, um die Einsatzgebiete oberhalb von +100 °C sicherer zu machen. Bei Dampfschläuchen nimmt man üblicherweise einen Ct von 0,3 als gegeben, das entspricht dem Fünffachen des Betriebsdrucks.

Welche Vorteile bietet die Druckprüfung?

Dr. Gottschalk: Die Sicherheit von Mensch, Umwelt und Technik steht im Vordergrund. Dies verlangt eine Gefährdungsbeurteilung im Umgang mit Schlauchleitungen. Neben einer regelmäßigen visuellen Prüfung ist die Druckprüfung von Schlauchleitungen daher essentiell. Gefahren, die von fehlerhaften oder bereits abgenutzten Schläuchen ausgehen, können so reduziert werden. Die Handhabung von Schlauchleitungen wird sicherer.

 

 

ZUR PERSON | Dr. Thomas Gottschalk

Dr. Thomas Gottschalk hat 30 Jahre Erfahrung im Bereich der Schlauchtechnik. Nach seinem Studium und der Promotion in der Automatisierungstechnik (TU Berlin) war er in verschiedenen Unternehmen der Schlauchtechnik-Branche als Technischer Leiter oder Geschäftsführer tätig. Er erweiterte über Jahre hinweg seine Kompetenz im Bereich der Fluidtechnik, war an vielen Entwicklungen beteiligt und hat bei Projekten wie zum Beispiel der „AdBlue-Technologie für Lastkraftfahrzeuge“ von der ACEA (European Automobile Manufacturers´ Association) mitgewirkt. Heute ist er als technischer Leiter in der Schlauch- und Armaturentechnik bei der Schloemer GmbH tätig. Darüber hinaus ist er Mitglied in verschiedenen Normkreisen und Interessengemeinschaften (IGR, BG RCI T002, VTH).

Seinen Power Skill beschreibt er selbst mit den Worten: „Ich finde für jeden Anwendungsfall die passende Lösung.“