Probleme und Lösungen

Blackout – aus Sicht der Arbeitssicherheit

· 7 Min Lesezeit

Das Thema Blackout beschäftigt mittlerweile die breite Öffentlichkeit. Die Meinungen darüber variieren von „sehr unwahrscheinlich" über „jederzeit möglich" bis hin zu „Panikmache"; das tatsächliche Wissen ist meist sehr dürftig oder einseitig. Dieser Beitrag soll eine Orientierungshilfe geben und aufzeigen, wie Sie in Ihrem Unternehmen schnell und einfach eine Blackout-Vorsorge treffen können. Es gibt dabei einige Aspekte, die die Arbeitssicherheit vorbereiten und beachten kann.

Zunächst muss der Begriff „Blackout" definiert werden, da es weder eine allgemeingültige Definition noch ein gemeinsames Verständnis gibt. Von einem Blackout sprechen wir, wenn es zu einem plötzlichen, überregionalen, zumindest mehrere Staaten oder größere Staatsgebiete betreffenden, länger andauernden Strom-, Infrastruktur- und Versorgungsausfall kommt. Ein solches Ereignis hat es in Europa bisher nur zweimal gegeben: 1976 und 2003. Während das erste Ereignis, das Teile Deutschlands, Österreichs und der Schweiz betraf, schnell behoben werden konnte, dauerte der Stromausfall 2003 in ganz Italien bis zu 18 Stunden. Deshalb wird oft die Meinung vertreten, ein Blackout könne heute nicht mehr passieren, weil es schon sehr lange kein solches Ereignis mehr gegeben habe.

Die Frage ist allerdings nicht, wie wahrscheinlich ein solches Ereignis ist, sondern ob wir als Gesellschaft damit umgehen könnten. Und hier sind erhebliche Zweifel angebracht. Zudem berücksichtigen viele Wahrscheinlichkeitsaussagen nicht die derzeitigen massiven Umbrüche und Probleme im europäischen Stromversorgungssystem. Es gibt daher realistische Einschätzungen, die von einem sehr wahrscheinlichen Szenario innerhalb der nächsten fünf Jahre ausgehen. Auch eine Strommangellage, also die gezielte Abschaltung von größeren Gebieten zur Verhinderung eines Blackouts, würde zu ähnlich gravierenden Versorgungsausfällen führen wie ein Blackout selbst. Sogar ein schwerwiegender Cyber-Zwischenfall könnte ähnliche Folgen haben. Eine Blackout-Vorsorge hilft daher genauso, andere mögliche Ereignisse besser zu bewältigen.

 

Folgen eines großflächigen Stromausfalls

Die vielfältigen, dramatischen Folgen eines großflächigen Stromausfalls werden in der Regel völlig unterschätzt. Es würde nicht nur der Strom für viele Stunden oder gar Tage ausfallen, sondern alle lebenswichtigen Infrastrukturen und Versorgungsleistungen, die wir für unser tägliches Leben benötigen und als selbstverständlich hinnehmen. Kaum jemand kann sich vorstellen, dass dies jemals anders sein könnte; dementsprechend schlecht wären wir in der Lage, mit weitreichenden Unterbrechungen umzugehen. Aus Studien wissen wir, dass sich etwa ein Drittel der Bevölkerung maximal vier Tage und ein weiteres Drittel maximal eine Woche selbst versorgen könnte.

Aber auch bei einem nur eintägigen großflächigen Stromausfall würde es vermutlich Tage dauern, bis Produktion und Logistik wieder anlaufen können, da mit erheblichen Schäden und Störungen zu rechnen ist – und schnell ist man in der zweiten Woche, bevor wieder in größerem Umfang Waren ausgeliefert oder verkauft werden können. Nicht nur die Bevölkerung ist auf ein solches Szenario kaum vorbereitet, sondern auch die Unternehmen und der Staat selbst. Alle verlassen sich darauf, dass immer alles da ist und funktioniert. Das könnte sich als fatale „Truthahn-Illusion" erweisen, wenn das Risiko eines Trendbruchs – in diesem Fall einer Versorgungsunterbrechung – vollkommen übersehen oder unterschätzt wird.

 

Brandgefahr

Kerzen als Notbeleuchtung sind eher kontraproduktiv, da sie die Brandgefahr erhöhen. Brände können schnell zu lokalen Katastrophen führen, weil der Notruf nicht funktioniert und möglicherweise nicht genügend Feuerwehrleute oder Löschwasser zur Verfügung stehen. Deshalb sind Brandschutz und Wachsamkeit in solchen Krisenzeiten besonders wichtig – auch ein Thema für den Arbeitsschutz.

 

Persönliche Vorsorge

Die einfachste und billigste, aber auch wirksamste Vorbereitung ist eine Selbstversorgungsfähigkeit jedes und jeder Einzelnen für mindestens 14 Tage: Nötig sind etwa zwei Liter Wasser pro Person und Tag für mehrere Tage, falls es Probleme mit der Wasserversorgung geben sollte, sowie wichtige Medikamente und Lebensmittel für 14 Tage, um ohne zusätzliche Einkäufe über die Runden zu kommen.

Nach dem Stromausfall kann wieder gekocht werden, aber die Geschäfte können noch nichts verkaufen; es wird dauern, bis Logistik, Treibstoffversorgung oder Computerkassen wieder funktionieren. Der zentrale Punkt für Unternehmen ist: Wenn die Mitarbeitenden nicht vorgesorgt haben und zu Hause in einer Krise stecken, werden sie auch nicht zur Arbeit kommen, um die Systeme wieder hochzufahren. Damit beginnt ein Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen ist.


Mitarbeitersensibilisierung

Daher sollte auch die Sensibilisierung der Mitarbeitenden in jedem Unternehmen an erster Stelle stehen, denn nur mit vorbereiteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird es gelingen, den eigenen Betrieb sicher und rasch herunterzufahren und dann hoffentlich schnellstmöglich wieder hochzufahren. Aber auch das wird dauern, denn es gibt viele externe Abhängigkeiten von Kunden, Lieferanten oder Infrastrukturbetreibern. Fällt ein Glied in der Kette aus, ist schnell die ganze Kette lahmgelegt, was bei der Auseinandersetzung mit dem Blackout-Szenario häufig unterschätzt wird.

 

Falscher Fokus

Die meisten Vorbereitungsmaßnahmen konzentrieren sich auf den Stromausfall, was in Betrieben häufig die Frage nach einem Notstromaggregat aufwirft. Die ersten Überlegungen gehen oft in Richtung Aufrechterhaltung des Betriebes, was allerdings in einer solchen Situation keinen Sinn macht, wenn ohnehin nichts mehr funktioniert. Das fängt damit an, dass wahrscheinlich spätestens nach 30 Minuten kein Handy, kein Festnetz und kein Internet mehr funktionieren. Dann ist man auf sich gestellt und hat hoffentlich vorbereitete Ablaufpläne.

 

Offline-Pläne

Das Personal muss also wissen, was innerhalb welcher Zeit zu tun ist, wenn weder Strom noch Telekommunikation zur Verfügung stehen, um weitere Schäden zu vermeiden sowie die Arbeitssicherheit zu gewährleisten. Eine Notstromversorgung sollte daher ein sicheres Herunterfahren und gegebenenfalls Reinigen der Anlagen ermöglichen. Wenn dies nicht zwingend gleichzeitig erforderlich ist, kann es auch schrittweise erfolgen, wodurch häufig mit einem kleineren Aggregat das Auslangen gefunden werden kann.

Dann stellen sich die Fragen: Wie kommen die Mitarbeitenden nach Hause? Fahren die gewohnten Verkehrsmittel noch? Alles, was elektrisch betrieben wird, funktioniert nicht mehr; in den Städten kommt es schnell zu einem Verkehrschaos. Deshalb ist es wichtig, überlegt zu handeln. Man hat dafür auch genügend Zeit, weil keine unmittelbare Gefahr droht und man sich diese Zeit nehmen kann. Voraussetzung ist aber auch hier, dass sich die Mitarbeitenden das Szenario bereits im Vorhinein überlegt und mögliche Alternativen vorbereitet haben. Mit den Schulen und Kindergärten soll abgeklärt werden, welche Vorbereitungen diese getroffen haben, damit man nicht unter Druck gerät und zu unüberlegten Handlungen neigt.

 

Wie erkennt man ein Blackout?

Natürlich muss im Ernstfall als Erstes geklärt werden, ob es sich um einen normalen Stromausfall handelt, der in der Regel nach wenigen Minuten bis Stunden wieder behoben ist, oder ob es sich um ein wirklich großflächiges Ereignis handelt. Hier gibt es vier wichtige Erkennungsmerkmale:

  1. Stromausfall
  2. Ausmaß des Stromausfalls feststellen: Wenn Sie zu Beginn noch ein Netz haben, rufen Sie jemanden an, der sich gerade weiter entfernt aufhält (oder einen anderen Standort), um die Ausdehnung einzugrenzen.
  3. Telekommunikationsausfall: Schalten Sie ein Radio ein und suchen Sie nach Sendern, die noch funktionieren. Im einfachsten Fall funktioniert das Autoradio; der Sender Radio Ö3 sendet Verkehrsnachrichten.
  4. Wenn Sie im Verkehrsfunk hören, dass es in verschiedenen Regionen zu Tunnelsperrungen oder Einschränkungen wegen Stromausfällen kommt, ist das ein sehr deutlicher Hinweis. Es kann aber einige Zeit dauern, bis das Ereignis im Radio offiziell bestätigt wird. Über das Radio erhalten Sie weitere Informationen.

 

Phasen eines Blackouts

Phase 1 eines Blackouts, der Stromausfall, ist jedem mehr oder weniger klar. Was jedoch oft unterschätzt wird, sind die Wiederanlauf-Schwierigkeiten nach dem Stromausfall, die in der Regel bei lokalen Ausfällen nicht in diesem Umfang auftreten. Zudem sind schlicht alle gleichzeitig betroffen.

Das fängt schon damit an, dass man damit rechnen muss, dass es nach dem Stromausfall mehrere Tage dauern kann, bis Handy, Festnetz und Internet wieder halbwegs störungsfrei funktionieren. Das bedeutet, dass in dieser Phase 2 so gut wie keine Produktion, Logistik oder Treibstoffversorgung funktionieren wird. Damit ist auch ein Wiederanfahren in den meisten Betrieben kaum möglich. Was in dieser Zeit auf jeden Fall angegangen werden kann, ist die Überprüfung der eigenen IT/OT-Infrastruktur oder Gebäudeleittechnik. Gab es Schäden durch den Stromausfall oder beim Wiederanlauf durch Frequenz-, Spannungs- oder Stromschwankungen? Können diese Schäden mit eigenen Mitteln behoben werden? Denn nur wenn diese Systeme funktionieren, ist ein Wiederanlauf möglich.

In den meisten Betrieben wird daher ein Wiederanlauf erst in Phase 3 eines Blackouts möglich sein, das heißt, wenn auch die externe Telekommunikationsversorgung wieder funktioniert. Dann können die Mitarbeitenden im Schneeballsystem angerufen und der Start kann abgesprochen werden. Für die Arbeitssicherheit werden sich dann verschiedene Fragen stellen: Funktionieren alle Sicherheitseinrichtungen? Müssen Abstriche gemacht werden, um überhaupt starten zu können? Nicht alles wird sich schon im Vorfeld klären lassen – umso mehr sind Flexibilität und Pragmatismus aller Beteiligten gefragt. Diese Wiederanlaufphase wird sich je nach betroffenem Bereich unterschiedlich lange ziehen. Es ist davon auszugehen, dass es Wochen, Monate und zum Teil auch länger dauern wird, bis sich die Versorgungs- und Logistikketten wieder stabilisiert haben. Überdies werden sich die Prioritäten verschieben: Zunächst werden Grundbedürfnisse wie die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten oder Gesundheitsdiensten im Vordergrund stehen. Daher wird es in vielen Betrieben keine Dringlichkeit geben, die Produktion wieder hochzufahren. Auch dies sollte im Vorfeld in den Betrieben überlegt und abgestimmt werden.

Sowohl beim Herunterfahren als auch beim Wiederanfahren ist es wichtig, nicht nur an den eigenen Bereich zu denken. Eine Abstimmung mit Kunden, Lieferanten oder Partnern ist oft unerlässlich, denn nur so kann eine möglichst schnelle Resynchronisation gelingen. Denn wenn alle erst in der Krise anfangen, sich abzustimmen, entstehen schnell viele Engpässe und ein unnötig hoher Koordinationsaufwand.

Auch wenn die Auseinandersetzung mit dem Thema Blackout sehr erschütternd sein kann –wenn man sich der eigenen Verletzlichkeit erstmal bewusst wird, kann man mit wenig Aufwand die eigene Selbstwirksamkeit sowohl im privaten als auch im betrieblichen Umfeld schnell deutlich erhöhen. Diese Grundvorsorge erfordert wenig Aufwand und ist die Voraussetzung für alles, was sonst noch notwendig sein kann. Daher ist es wichtig, hier anzusetzen und dann sukzessive an der Verbesserung und Verringerung der externen Abhängigkeiten zu arbeiten.

Die Auseinandersetzung mit dem Blackout-Szenario führt daher in der Regel zu einer höheren Robustheit und einer besseren Vernetzung mit Kunden oder Lieferanten, was sich in der Regel auch im täglichen Betrieb positiv auswirken wird. Packen wir es daher an und werden wir gemeinsam krisenfit!


Über den Autor

Herbert Saurugg
Herbert Saurugg ist internationaler Blackout- und Krisenvorsorgeexperte, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Krisenvorsorge (GfKV), Autor zahlreicher Fachpublikationen, gefragter Keynote-Speaker und Initiator von „Mach mit! Österreich wird krisenfit!" (www.krisenfit.jetzt). Er beschäftigt sich seit über zehn Jahren mit den Entwicklungen im europäischen Stromversorgungssystem und dem Szenario eines überregionalen Strom-, Infrastruktur- sowie Versorgungsausfalls („Blackout"). Er betreibt einen umfangreichen Fachblog unter www.saurugg.net und unterstützt Gemeinden, Unternehmen und Organisationen bei einer ganzheitlichen Blackout-Vorsorge.